Sonntag, 6. Dezember 2009

Net Generation? - ein Beitrag zum 4.12.2009

Ich gehe im Beitrag davon aus, dass die benutzen Powerpoints und abgegebenen Unterlagen bekannt sind.
Vorausschicken möchte ich, dass ich im Gegensatz zu fast allen meiner Studienkollegen nicht aus der Pädagogik komme und über keine Wissensgrundlagen dahingehend verfüge. Mein Hintergrund ist die neurologische und psychiatrische Pflege und eine gewissen Affinität zu Literatur.
Vielleicht eben darum habe ich Mühe damit, dass offensichtlich so selbstverständlich diverse neudeutsche und amerikanische Begriffe gebildet werden, die bezeichnend sein soll für etwas, dass global geschieht und insbesondere eine bestimmte Altersgruppe betreffe. Zumindest in dem Teil der Welt, der über die finanziellen und dadurch die Informations- und Bildungsressourcen verfügt, um am Internet aktiv teilzunehmen.
Die Aussage, dass Medienkompetenz heute ein Schlüsselfaktor gesellschaftlicher Partizipation ist (in der 1. Welt), stimme ich voll zu, wie übrigens auch Hartmut Rosa in seinem Buch "Beschleunigung" (Suhrkamp, 2008): dessen Vermutung (welche er mit seinem Buch zu belegen versucht) ist, dass die in der Moderne konstitutiv angelegte soziale Beschleunigung in der >>Spätmoderne<< in ihr Gegenteil umzuschlagen droht. Das klingt doch ziemlich entmutigend, in der globalen Entwicklung wird die Kluft zwischen den Partizipierenden und den ausgeschlossenen also unsteuerbar grösser?

Wir hörten im Unterreicht Ansätze von Vertretern der Auffassung, dass es so etwas wie die Net Generation als definierbare Gruppe gibt, wie auch Antithesen dazu, welche in der Entwicklung Jugendlicher altbekannte Prozesse und Abläufe erkennen, die im Menschsein mehr oder weniger determiniert sind (Schulmeister`s Artikel dazu ist sehr lesenswert, die Argumentation für mich überzeugend).

Letzthin las ich populärwissenschaftliche Bücher vom Neodarwinist Richard Dawkins (Gipfel des Unwahrscheinlichen, Rohwolt, 2008) und Joachim Bauer (Das kooperative Gen, Hoffmann und Campe, 2008). Bauer ist Antidarwinist und vertritt einen entwicklungsgeschichtlichen Ansatz "kooperativer Gene", welche kreativ gestalten.
Die Autoren sind sich bei allen Differenzen darin einig, dass determinierte Veränderungen physischer und psychischer Natur doch eher Jahrtausende bis Jahrmillionen benötigen, und kaum innert Generationen geschehen (-> ich erinnere an die Diskussion im Plenum bzgl. dem "Handydaumen").

Ressentiments gegen Jugendliche, deren Verhalten, Begehren, deren Werte (oder: Un-Werte) usw. sind schon zu Zeiten von Sokrates festgehalten worden: Junge wissen sich nicht zu benehmen, sind unflätig, laut rülpsend, respektlos ...
Meine Jugendzeit fiel zwischen Rock und Punk; eine Identifikation war in beiden Bereichen schwer möglich (fürs eine zu jung, fürs andere zu alt), sodass ich beim Jazz landete. Denn, darin sind wir uns glaube ich einig, die Identifikationsproblematik in der Jugend ist extrem prägend und eines der wesentlichsten Schlüsselereignisse im Leben eines jeden. Doch davon abzuleiten, dass durch Medieneinfluss psychologische und physiologische grundlegende Änderungen determiniert werden, welche sich geschlechtlich fortpflanzen und "neue" Menschen schaffen, ist wohl etwas weit hergeholt.
Nichts desto trotz gibt es, seit 1900 zunehmend, und ab den 80igern beschleunigend sich ausbreitende Krankheiten, welche sich direkt oder indirekt aus der Beschleunigung der gesellschaftlichen und sozialen Prozesse herleiten lassen. Die Überforderung mit den Anforderungen der Zeit manifestiert sich in psychiatrische relevanten Psychosen und Persönlichkeitsveränderungen. Hartmut Rosa (2008) konstatiert Desynchronisationserscheinungen aufgrund unterschiedlicher Wandlungs- und Adaptionsgeschwindigkeiten zwischen Funktionssystemen, sozialen Gruppen und den in einer Gesellschaft lebenden Generationen. Nach Lübbe (in Rosa, 2008) ist der integrative Informationstransfer potenziell gefährdet, wenn die kulturellen Orientierungen (...) zweier Generationen (...) allzu weit auseinanderdriften.

Ich hoffe, ich werfe mit dem Beitrag überlegenswerte Fragen auf und stosse zum Denken an!

4 Kommentare:

Patrik Zoller hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Patrik Zoller hat gesagt…

Im Artikel "Permanet online: wie die neuen Medien das Leben verändern" (Psychologie Heute Januar 2010) stellt Ernst Pöppel, Professor für medizinische Psychologie optimistich fest: "Sequentielles Multitasking verlangt ein exzellentes Aufmerksamkeitsmanagement.Dies wäre eine Art positiver Kollateralschaden, wenn wir durch diese Art der Tätigkeit die Ressourcen unseres Gehirns in dieser Richtung positiv beeinflussen".
Das Gehirn repariert sich von selbst

Guntram hat gesagt…

Hallo Patrick

der Artikel interessiert mich: hast du den elektronisch?
merci
Guntram

Prof. Martin Hofmann hat gesagt…

Hallo Guntram

Spannende Gedankengänge, die ich auch gut nachvollziehen kann. Dass die Grundbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sich nicht wesentlich von jenen anderer Generationen unterscheiden, da stimme ich dir und Schulmeister voll und ganz zu.

Neu an der Generation Internet ist aber eben, dass sie mit dem Internet aufgewachsen ist. Beobachtet man heute Kinder und Jugendliche beim Lernen, Arbeiten und in der Freizeit, so stellt man/frau fest, dass sich diese Generation andere Formen der Wissensaneignug und -verarbeitung und neue Kommunikationsformen angeeignet hat. Trotz aller negativen Begleiterscheinungen (Rip-Mix-Share-Kultur, Datenschutz- und Urheberrechtsverletzungen, etc.), welche das Internet uns allen beschert hat, zeigt die Generation Internet Wege auf, wie mit der stetig steigenden Informationsflut umgegangen werden kann. Wobei wir auch hier natürlich nicht vergessen dürfen, dass keineswegs alle Kinder und Jugendlichen bereits zu den "Digital Natives" gehören. Hie muss die Schule einen Beitrag leiste!