Samstag, 20. Februar 2010

Projekt Overkill – Ein medienpädagogisches Experiment zweier Generationen

(Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Katrin Sutter)

Freitag, 19. Februar 2010 zwischen 11.30 und 13.00 Uhr am Bahnhof St. Gallen:

Um 11.30 Uhr ist die Welt noch in Ordnung. Der Bahnhof St. Gallen präsentiert sich mit seinem normalen Bild. All die üblichen Passantinnen und Passanten wie Geschäftsleute, Eltern mit Kindern, Schülerinnen und Schüler eilen, gehen oder schlendern vom Bahnhof zu den Bussen oder über den Bahnhofsplatz. Doch plötzlich werden sie in ihrem Weg unterbrochen. Etwas ist nicht wie immer, am Bahnhof St. Gallen.


Offene Fragen…


An der Bushaltestelle steht eine Frau mit einem grossen Schild: “Haben wir Sie aufgehalten?” steht darauf. Wenn man von der Unterführung her die Treppe raufkommt, wird man mit einem Handysitter konfrontiert, bei dem man für eine selbst gewählte Zeit sein Handy abgeben kann, um sich etwas Ruhe zu gönnen. Auf dem Weg begegnen einem weitere Schilder mit Fragen sowie weitere Handysitters. Plötzlich klingelt ein Handy, der Handysitter bleibt ganz ruhig und nimmt ab: „Hier spricht der Handysitter. Die gewünschte Person gönnt sich Ruhe und ist ab 13.30 Uhr wieder erreichbar.“

Nur ein paar Schritte weiter, an einer Bushaltestelle kommt plötzlich das Gefühl von Urlaub auf. Da stehen doch tatsächlich drei Liegestühle mit Decken, die zum Ausruhen einladen. Kleine Hemmschwelle: um sich darauf zu entspannen, muss das Handy vorübergehend abgegeben werden. Es ist halt eben ein „Handyurlaub“.


…Irritationen

Moment mal, was ist denn das? Die Irritationen hören ja gar nicht mehr auf. Wer nicht mehr über den Bahnhofsplatz eilt, sondern sich etwas umschaut sieht immer neue Überraschungen. Da läuft doch tatsächlich einer mit Bademantel und Infusionsständer herum. Bei genauerem Betrachten merkt man, dass der junge Mann unter dem Bademantel einen Anzug trägt, der eine Infusionsbeutel mit „Espresso Concentrate“ angeschrieben ist und im anderen ein elektronisches Gerät zu sehen ist. Etwas weiter weg sitzt ein Mann auf der Bank. Das Handy am Ohr und der Laptop auf den Beinen stellen ein Bild dar, an das man sich heutzutage gewöhnt ist. Dennoch schaut man ein zweites Mal hin, denn der Mann ist über und über mit elektronischen Kabeln gefesselt. Und plötzlich wird man dann doch noch direkt angesprochen. Zwei junge Frauen werben für die Mitgliedschaft bei der Partei des digitalen Ausstiegs (PDDA).


…und Gedankenanstösse

Spätestens jetzt kann man sich der Aktion nicht mehr entziehen. Und wenn man sich sogar ein paar Minuten Zeit nimmt und auf die Gedankenanstösse reagiert, wird man schnell über den Hintergrund der Aktion aufgeklärt: Es handelt sich um das Projekt Overkill, welches einen Beitrag zum Internationalen Tag der Langsamkeit leisten will. Ziel ist es, den Menschen die Informationsüberflutung und die Hektik der heutigen Zeit vor Augen zu führen, bei der Betrachterin/dem Betrachter ein inneres Schmunzeln auszulösen und auf kreative Art Denkanstösse zu geben. Hinter dem Projekt steckt eine intergenerative Zusammenarbeit von angehenden Mediamatikerinnen und Mediamatikern der SBW Neue Medien AG sowie Teilnehmenden des Zertifikatslehrgangs Medienpädagogik (FHS St. Gallen und PHSG).

… zum internationen Tag der Langsamkeit.

Der dramaturgische Höhepunkt des Projekts findet um 12.55 Uhr statt. Rund um den Treffpunkt beim Bahnhof St. Gallen frieren plötzlich unzählige Leute mitten in ihrer Bewegung ein. Einige Passantinnen und Passanten sind jedoch so in ihre Gedanken vertieft, dass sie mit gesenktem Kopf durch die Menge gehen und nichts Ungewöhnliches entdecken. Die junge Frau, die seit drei Minuten keine Bewegung mehr gemacht hat und immer noch nach ihrem heruntergefallenen Tuch greift fällt ihnen genauso wenig auf wie der Mann, der mitten auf der Treppe erstarrt ist. Andere wiederum bleiben irritiert stehen, diskutieren miteinander und beobachten für eine Weile, was da vor sich geht. Um 13.00 Uhr ist der ganze Spuck zu Ende, die Erstarrungen lösen sich auf, das Projekt Overkill ist zu Ende und der Bahnhof St. Gallen befindet sich wieder im „Normalzustand“.

Fazit: Das Projekt Overkill hat Spass gemacht und konnte zur Zufriedenheit aller Beteiligten durchgeführt werden. Die Passantinnen und Passanten reagierten bis auf wenige Ausnahmen sehr positiv auf die Gedankenanstösse und werden sicher das eine oder andere davon mitnehmen.

Die Ausstellung der etwas anderen Art wird im virtuellen Raum weitergeführt und kann ab Samstag, dem 27. Februar auf www.projekt-overkill.ch besucht werden.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo zusammen,
Herzliche Gratulation zu den tollen Aktionen! Da wollte ich mir doch gleich die projekt-overkill - Seite im Web anschauen, aber leider funktioniert der Link dzt. (noch) nicht(?).
Frank